Das japanische Schriftsystem besteht aus mehreren Schriften. In Japan nutzt man Kanji, Kana und Romaji funktional gleichberechtigt nebeneinander als Schreibschrift. Die Kanji (jap. 漢字) entstammen der chinesischen Schrift. Chinesische Mönche haben etwa im 4. Jh zusammen mit den buddhistischen Schriften die chinesische Schrift nach Japan gebracht. Bis weit ins Mittelalter hinein galt die klassische chinesische Schrift und Bildung für die Japaner als vorbildlich. Auch heute noch erlernt man die Kalligraphie anhand der grossen klassischen Kalligraphen Chinas. Auch die westliche Vorstellung von östlicher Kalligraphie orientiert sich weitgehend an der chinesischen Klassik. Deshalb unterrichte ich sowohl chinesische wie japanische Kalligraphie, obwohl meine Ausbildung eine japanische ist.
Nun sind Chinesisch und Japanisch aber komplett verschiedene Sprachen. Da ein Kanji-Zeichen für einen Begriff steht, war es möglich, die Wortstämme der japanischen Sprache von der Bedeutung her in den chinesischen Zeichen abzubilden. Das Japanische verwendet aber im Gegensatz zum Chinesischen an den Wortstamm angehängte Flexionen (z.B. für Gegenwart und Vergangenheit).
Diese Endungen und die Eigennamen liessen sich im chinesischen Zeichensystem nicht abbilden. Deshalb kreierte man ein Silbensystem, Kana genannt. Es besteht aus zwei Zeichensätzen, den Hiragana (jap. 平仮名 oder ひらがな) und den Katakana (jap. 片仮名 oder カタカナ), welche aus der chinesischen Kursivschrift abgeleitet wurden.
Am Kaiserhof des 9. Jahrhunderts entwickelte sich massgeblich von Frauen geprägt eine eigenständige japanische Kalligraphierichtung, welche auf den kanjis (chinesische Zeichen) und den hiragana (japanische Silbenschrift) basiert. Diese japanische Kalligraphie betont sehr stark den Fluss der Bewegung. Nicht nur die einzelnen Zeichen, sondern die gesamte Darstellung sind vom Bewegungsfluss geprägt.
Ukiyo-e (japanisch 浮世絵, etwa «Bilder der fliessenden Welt») ist eine Sammelbezeichnung für ein bestimmtes Genre der japanischen Malerei und der japanischen Druckgrafik, das das Lebensgefühl und die Weltsicht des aufkommenden Bürgertums und der breiten Bevölkerungsmehrheit während der so genannten Edo-Zeit widerspiegelt. Dieser Begriff der «fliessenden Welt» gibt auch die Stimmung der japanischen Kalligraphie gut wieder.
Als japanischer Kallligraphielehrer bin ich sowohl in chinesischer wie in japanischer Kalligraphie ausgebildet und unterrichte auch beides. Beim Erlernen der Schönschrift beginnt man meistens mit der chinesischen Kalligraphie, weshalb dies auch den Schwerpunkt meiner Kurse bildet.